Diskurs

Vom Labor zur Wissenschaftslandschaft

Bauten für Wissenschaft und Forschung stellen eine Herausforderung für alle Beteiligten an Bedarfsfindung, Planung und Bau dar. Kaum eine Gebäudekategorie ist so teuer in Investition und Betrieb wie der Forschungsbau. Kaum ein Bautypus muss so viele, teilweise sich widersprechende planungstheoretische sowie technisch und funktional definierte Anforderungen in sich vereinen.

Wir fragen, Forscher antworten.

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Welchen Herausforderungen muss sich Architektur für die Forschung in Zukunft stellen?

»Gute Architektur will den Wissenschaftlern beste Arbeitsmöglichkeiten und ein anregendes Umfeld schaffen. Sie verzichtet darauf, den Wissenschaftlern das aus eigener Architektentätigkeit gewachsene Bild aufzudrängen.«

» Wissenschaftler arbeiten unter großem Einsatz immer an den Grenzen ihrer Möglichkeiten, an den Grenzen des heute Bekannten, und sind überrascht wie einfach alles ist, wenn man es verstanden hat. Wissenschaft hat viele Facetten mit unterschiedlichen Kulturen. «

»Architekten sollten sich viel Zeit nehmen, das Umfeld und die Arbeitsweise des Kunden zu verstehen, bevor mit der Arbeit begonnen wird. Alte Entwürfe sollten nicht den Blick für das Neue einengen. Wichtig für den Wissenschaftler ist die Kommunikation mit Kollegen/innen in einem freundlichen Umfeld, wo man sich wohlfühlt. Es ist toll, wenn man aus dem Büro rausgehen kann und ein entsprechendes Umfeld findet.

Denn nicht nur gute Arbeitsmöglichkeiten in exzellenten Labors sind entscheidend für Erfolg und Wohlbefinden eines Experimentators.

Ich empfinde es als angenehm, wenn zwischen Büro und Labor eine gewisse Entfernung ist, sodass man auch auf dem Weg dorthin Gelegenheit hat, andere Leute zu sehen und gegebenenfalls spontan anzusprechen.«

»Spielt informelle Kommunikation wirklich so eine große Rolle? Ja. Sie ist unerlässlich.«

» Trotz aller Technisierung und Automatisierung auf dem „globalen Markt der Wissenschaft“, der unabhängig von Zeit und Ort Arbeiten ermöglicht, verliert der gebaute Lebensraum von Forschern und Forscherteams nicht an Bedeutung. «

»Man denkt oft, dass Forscher ihre Ideen im Elfenbeinturm für sich alleine ausbrüten, aber in Wirklichkeit ist es ein soziales Unterfangen, etwas, das entsteht, indem man gemeinsam mit Ideen spielt, sowohl in formellen Debatten als auch bei Zufallsbegegnungen.

Es ist extrem wichtig, Kollegen treffen zu können, auch um Neuigkeiten auszutauschen. Architekten haben die Aufgabe, Räume zu schaffen, in denen Wissenschaftler interagieren können.

Doch Ideen, die durch Interaktion oder Reflexion entstehen, brauchen auch einen Rückzugsraum, in dem sie fortentwickelt werden können. Unser Gebäude ermöglicht das durch ruhige Büroräume im Erdgeschoss und auf den Laborgeschossen.«

Was kann Architektur für die Forschung leisten?

»Die Spezialisierung innerhalb der wissenschaftlichen Disziplinen, die Komplexität des Forschungsgeschehens verlangen nach mehr teamorientierter, interdisziplinärer Kooperation im sich verfeinerndem Netzwerk des Strebens nach Erkenntniszugewinn.«

»Architektur hat einen wesentlichen Einfluss auf Denken und Handeln.«

»Das attraktive Gebäude und das von ihm ausgestrahlte Ambiente sind ein großes Plus bei der Anwerbung von neuen Mitarbeitern, insbesondere auch von Studenten.«

» Ein Gastwissenschaftler hat es so formuliert: Dieses Gebäude wird Euch einen enormen und unschätzbaren Vorteil bei der Anwerbung der besten Wissenschaftler bringen! «

»Für das MPI für Biologie des Alterns wurde 2013 am Campus des Universitätsklinikums Köln auf einem zentral gelegenen, aber sehr knapp bemessenen Grundstück ein kompakter Neubau errichtet.

Über den drei Laborebenen befindet sich ein Technikgeschoss, darüber eine Hochhygiene-Facility. Als Bauherr haben wir uns intensiv beschäftigt mit Fragen zu Typologie, Technik, Brandschutz und Laborplanung (…). Im Bereich der Hygiene: Wege für Personal, Tiere, Abfall; Vermeidung von Kreuzkontamination und so weiter.

Im Zentrum des hochinstallierten Forschungsbaus liegt ein lichtdurchfluteter Raum, der den Besucher einlädt, überrascht, fast überwältigt und an den man sich erinnern wird. Der Bau ist kompakt, funktional optimiert, gestapelt und sehr gut zoniert. Die technische Trassierung ist entflochten und betrieblich gut entwickelbar, dicht und kommunikativ.

Der Kostenrahmen wurde eingehalten. Die Planungsdaten belegen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Es ist auch schön geworden, schaut teurer aus, als es ist, fast ist man geneigt sich zu entschuldigen. Eigentlich gibt es nur ein technisch-typologisch optimales Gesamtkonzept,  von Fachleuten auf Bauherrn- und Planerseite, die Forschungsbau ganzheitlich entwickeln.«

Fordert eine Wissenschaftskultur mit interdisziplinärer Vernetzung und digitaler Kommunikation neue bauliche Schwerpunkte?

»Viele Wissenschaftsgebäude sind klassisch strukturiert: Gänge, Büros rechts und links, keine Teeküchen, keine Orte, an denen man sich spontan begegnen kann. Offene Strukturen und die vielfältigen räumlichen Voraussetzungen für Kommunikation stehen für eine gelungene Wissenschaftsarchitektur.«

» Funktionierende, flexible, schnell realisierbare Bauwerke mit Ausstrahlung, Atmosphäre und Poesie sind es also, die zweckmäßig und wirtschaftlich für die Wissenschaft sind! «

»Zukünftig wird es wichtig sein, Dinge wie Netzwerke und Medien, die unseren Alltag zunehmend bestimmen, in das Wissenschaftsumfeld zu integrieren – besonders vor dem Hintergrund, dass viele Forscher sehr jung sind und Netzwerke und Medien intensiv nutzen.

Dann wird auch der direkte Zusammenhang zwischen dem vorhandenen Flächenangebot, der Aufenthaltsqualität und der Arbeit der Forscher sichtbar. Denn gute Ergebnisse in der Forschung stehen in direkten Zusammenhang mit guter Wissenschaftsarchitektur.«

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